Bericht: 4. Antifaschistische Gedenkwanderung – „Am 24. August 1941 kam es zu dem einmaligen Treffen bei Tiefensee.“

22. August 2022

Am 20. August 2022 fand unsere 4. antifaschistische Gedenkwanderung statt. Mit dem Format der Gedenkwanderungen wollen wir unter anderem Orte des Widerstands gegen den NS aktiv erkunden und so wanderten wir auch dieses Jahr mit rund 30 Interessierten von Tiefensee Dorf zum Gedenkstein im Gamengrund. Dort kamen vor 81 Jahren und kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion rund 50 Antifaschist*innen bei einem konspirativen Treffen zusammen. Ziel der Wanderung war wie bereits letztes Jahr das alternative Jugendzentrum„Horte“, wo wir nach einer Stärkung noch einer sehr spannenden Lesung lauschen durften.

Der Ort und das Treffen

Insbesondere vor dem Krieg galt Tiefensee als bei Berliner*innen beliebtes Ausflugsziel. So gab es eine direkte Zugverbindung aus Berlin, zahlreiche Gaststätten und Hotels, sowie eine Jugendherberge am Ufer des idyllischen Gamensees. Der Ort des Treffens sowie die Umgebung waren also klug gewählt. Hier fielen die als Ausflügler*innen getarnten Antifaschist*innen nicht auf.

Viele der teilnehmenden Antifaschist*innen kamen aus dem Arbeitersportmilieu – ein Umfeld, in dem die nationalsozialistische „Gleichschaltung“ am wenigsten glückte. Denn zehntausende Arbeiter*innen Berlins und Brandenburgs waren bis 1933 in diesem Milieu sportlich sowie kulturell und politisch geprägt worden und fanden auch nach 1933 unterschiedliche Wege, um den traditionellen Zusammenhalt zu wahren, z.B. bei gemeinsamen Wochenendausflügen ins brandenburgische Umland. Aus diesem Milieu formten Robert Uhrig und seine Freund*innen einen wachsenden Widerstandskreis – „eine der größten oppositionellen Organisationen der Reichshauptstadt“ (Sandvoß 2019: S. 516). Die Gruppe um Uhrig tat sich 1941 mit jener um Josef „Beppo“ Römer zusammen

Das Treffen sollte der Motivation der Genoss*innen dienen, denn „die Gruppe drohte auseinander zu brechen. Hitlers militärische Anfangserfolge schufen nämlich bei vielen Freunden eine resignative Stimmung. Die Ansicht ‚alles ist zwecklos‘, begann um sich zu greifen“ erinnerte sich Martha Butte, eine der Organisatorinnen des Treffens im Gamengrund.

Frauen im Widerstand wie Martha Butte wurden und werden in der Geschichtsschreibung (nicht nur) des kommunistischen Widerstands oftmals nicht ausreichend gewürdigt. Dies zu ändern ist das Verdienst der Macherinnen des sehr lesenswerten Blogs „Antifaschistinnen aus Anstand“. So haben sie zahlreiche Biographien von widerständigen Frauen rekonstruiert, die wir auf der Wanderung vorstellen konnten.

Der Verrat und seine Folgen

Im Frühjahr 1942 wurden zahlreiche Mitglieder der Gruppen um Römer und Uhrig nach einem Verrat festgenommen. Der Gestapo war es gelungen mindestens einen Spitzel in den kommunistischen Untergrundapparat zu schleusen. Insgesamt wurden über 170 Menschen verhaftet, dabei haben 80 Menschen die Untersuchungshaft nicht überlebt oder wurden zum Tode verurteilt.

Gedenken und Lesung

Am Ort des Treffens befindet sich seit 1974 eine Gedenktafel, die leider letztes Jahr gestohlen wurde. Bei der Einweihung sprach Fritz Butte, der Ehemann Marthas, vor etwa 400 Menschen, darunter Schüler*innen der Berliner Kurt Ritter und Fritz Riedel Oberschulen, die die Namen von beteiligten Antifaschisten tragen.

Vom Gedenkstein im Gamengrund ging es auf dem 66-Seen-Wanderweg auf Waldpfaden und Forstwegen über Wesendahl nach Strausberg, wo uns ein weiteres Highlight des Tages erwartete: eine Lesung des Sporthistorikers Martin Krauß aus seinem aktuellen Buchprojekt: Eine Sportgeschichte von unten. Anhand von mehr (Walter Seelenbinder) oder weniger (Albert Richter) bekannten Biographien brachte uns Krauß die Geschichte des Arbeitersports als Gegenbewegung zum bürgerlichen Sport nahe. Die Nazidichte im Deutschen Olympischen Sportbund lies die Zuhörer*innen wütend zurück, zum Lachen führte die Vorstellung des Disziplin des 100m Radfahrens – so langsam wie möglich.

Bericht: Nils Weigt

Fotos: Samuel Signer