Bericht: 77. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2022

23. Mai 2022

Am 8. Mai feierten wir zum 77. Mal die Befreiung vom deutschen Faschismus. Dieses Jahr überschattet von einem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, wobei Worte wie Entmilitarisierung und Entnazifizierung eine große Rolle in der Kriegspropaganda Russlands spielen. Dieser Relativierung wollten wir uns mit unserer Veranstaltung und Redebeiträgen klar entgegenstellen. Gleichzeitig wollten wir aber auch Danke sagen an alle Soldat*innen der Roten Armee und aller alliierten Armeen und daran erinnern, was für ein Opfer sie für diese Befreiung gebracht haben. Ganz bewusst entscheiden wir uns damit gegen das vielerorts gefahrene Konzept des „stillen Gedenkens“.

Bad Freienwalde / Foto: Samuel Signer

Auftakt der Gedenk- und Erinnerungsaktion waren das Niederlegen von Kränzen an den VVN-Mahnmalen in Petershagen-Eggersdorf und Altlandsberg von Vertreter*innen unserer Organisation. In Bad Freienwalde nahmen wir außerdem an einer von der LINKEN organisierten Veranstaltung teil. Auch in Buckow und Seelow nahmen wir an Gedenkveranstaltungen teil.

Strausberg / Foto: Samuel Signer

In Strausberg kamen wir wie die letzten beiden Jahre um 10 Uhr am Ehrenhain hinter dem Bonhoeffer-Heim in der Wriezener Straße zusammen. Etwa 60 Personen kamen der Einladung unseres Verbandes nach. Eröffnet und währenddessen musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Marie Lemke, die Klezmer-Stücke auf der Geige vortrug.
In der Eröffnungsrede unterstrich Wolfram Wetzig, Sprecher der VVN-BdA MOL, nochmals unsere Forderung, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus endlich Feiertag werden muss und kritisierte die im Windschatten der Kriegsberichtserstattung massiven Aufrüstungspläne der Bundesregierung, der wir ganz klar entgegnen: Abrüstung statt Aufrüstung und gegen Neonazis und Faschismus in allen Ländern!

Im Redebeitrag von Gianna Faust, Mitglied der VVN-BdA MOL und Vorsitzende des Stadtverbandes der Partei DIE LINKE Strausberg, ging es vor allem um die komplexen historischen Zusammenhänge von Entnazifizierung und gegenwärtigen Entwicklungen: so wurden zwar in allen Besatzungszonen die Mehrheit der Deutschen als Mitläufer eingestuft und nur vergleichsweise Wenige hart bestraft, doch in der Sowjetischen Besatzungszone wurde der Prozess der Entnazifizierung zu Beginn deutlich konsequenter durchgeführt, als in den drei westlichen Besatzungszonen, wo großzügig „Persilscheine“ verteilt wurden und die alten Eliten sehr schnell wieder in den Gerichten, Verwaltungen, Geheimdiensten und der Polizei, später auch der Bundeswehr, saßen. Mit der aufkommenden Ideologie des Kalten Krieges spielte Entnazifizierung schon Ende der Vierziger Jahre keine große Rolle mehr und sowohl Ost als auch West schworen die eigene Bevölkerung auf Zusammenhalt ein. Die Entnazifizierung war somit bis auf wenige spektakuläre Einzelfälle eingestellt worden. Dass die Nazis trotzdem noch da waren, davon zeugen viele Berichte von Holocaust-Überlebenden, die es in beiden deutschen Staaten nicht mehr aushielten, weil ihnen die Begegnungen mit den ehemaligen TäterInnen unerträglich wurden. Damit beschreibt Faust es als die Rolle von uns Antifaschist*innen daran zu erinnern, wie Nazi-Ideologie und NSDAP-Mitglieder die Gesellschaften nach 1945 mitgeformt haben, denn nur so könne eingelöst werden, was in Buchenwald geschworen wurde: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Gerade der letzte Teil des Schwurs sei jetzt, mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, wieder in weite Ferne gerückt. Dass gerade die russischen Autokraten mit ihrem Anführer Putin nun von Entnazifizierung sprechen, sei klar als Geschichtsvergessenheit und Ideologie zu benennen, ebenso wie verzerrende und ideologische Aussagen konsequent zurückgewiesen werden müssen. Dies bedeute auch, zu den rechten Kräften in der Ukraine nicht zu schweigen, doch bei aller Besorgnis könne daraus keine Rechtfertigung des Krieges abgeleitet werden. Faust resümierte, dass Krieg, egal wer ihn führt, in der zivilisierten Welt schon lange kein Mittel mehr zur Lösung politischer Konflikte sei und wir als Antifaschistinnen daher eine klare Rückkehr zu einer Diplomatie fordern, die Wege sucht und Kompromisse findet den Frieden wieder herzustellen. Wohl wissend, wie schwierig das in der aktuellen Situation ist und welche Fallstricke damit verbunden sind.

Schließlich folgten noch ein Beitrag des Historikers Nils Weigt zur Situation Strausbergs in den letzten Kriegstagen im April und Mai 1945 sowie ein Zeitzeuginnenbericht der ehemaligen Zwangsarbeiterin Halina A, bevor mit Blumen und Kränzen an die Befreier*innen gedacht wurde.

Radlergruppe von Strausberg nach Müncheberg / Foto: Samuel Signer

Im Anschluss sattelten rund 15 Radler*innen ihre Drahtesel und strampelten geführt vom Peter Churfürst (Naturfreunde Brandenburg) über Gladowshöhe, Garzau, Garzin, Liebenhof und Waldsieversdorf nach Müncheberg. Unsere eigentlich geplante Teilnahme und inhaltliche Gestaltung an der städtischen Gedenkveranstaltung mussten wir leider kurzfristig absagen, da die AfD ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen wurde. Für uns als VVN-BdA ist klar, wir werden niemals mit der AfD gemeinsam an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Wir dulden keine Normalität mit den Feinden der Demokratie und Menschenrechten. Kurzentschlossen machten wir uns auf zum Thälmanns wo wir eine historische Einordnung der Befreiung Münchebergs hörten. Auch dort legten wir im Anschluss Blumen und einen Kranz am Sowjetischen Ehrenmal nieder.