Ehrenhain Strausberg
Geschichte des Ehrenhains für die Opfer des Faschismus
Die Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus in Strausberg wurde 1967 errichtet und in den 1970er Jahren weiter ausgebaut.
Zu Beginn war der Platz eher nüchtern gestaltet – nur ein zentraler Quader mit Inschrift wurde aufgestellt. Zwei Jahre später kam der rote Granitstein hinzu, der sich noch heute hier befindet. Im Jahr 1972 wurde eine Gedenkwand in Form einer breiten Mauer gebaut, die ab 1980 mit einem Wandgemälde im sozialistischen Stil gestaltet wurde. Das Gemälde des Strausberger Künstlers Josef Rogmann zeigte eine DDR-typische Sicht auf die Nachkriegsgeschichte: Sie beginnt mit der Darstellung von leidenden, ausgemergelten Opfern der Konzentrationslager und endet mit einer glücklichen sozialistischen Familie, geschützt von Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA). So erschien der DDR-Alltag als eine harmonische Erfüllung des antifaschistischen Auftrags.
In seiner jetzigen Form besteht der Ehrenhain seit 2000. In diesem Jahr wurde die Mauer mit dem Gemälde abgerissen und auf dem vorderen Teil der Gedenkanlage wurde das Seniorenzentrum errichtet.
Tag der Opfer des Faschismus
Der Gedenktag für die Opfer des Faschismus wurde von ehemaligen politischen Häftlingen der Konzentrationslager ins Leben gerufen. Anlass waren die Jahrestage der Ermordung namhafter Widerstandskämpfer:innen wie Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid, aber auch der Gruppe um Graf von Stauffenberg. Bereits unmittelbar nach der Befreiung im Mai 1945 organisierten sie sich in Hilfsausschüssen und Komitees und forderten die Einrichtung eines zentralen Gedenktages.
Am 9. September 1945 rief schließlich der Berliner Oberbürgermeister Dr. Arthur Werner zum Tag der Opfer des Faschismus auf. Im Jahr 1947 gehörte auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zu den Trägern des Gedenktages. Als VVN-BdA ist die Vereinigung bis heute aktiv, auch in Strausberg.
Zum Weiterlesen: Die VVN-BdA ging aus den vielfältigen Tätigkeiten ehemaliger Verfolgter des Naziregimes hervor und hat eine bewegte Geschichte hinter sich.
Seit 1946 entstehen in allen Befreiungszonen Kreis- und Landesvereinigungen der VVN, die organisatorisch und personell aus den OdF-Ausschüssen hervorgehen. Gegründet wurde die VVN 1947 als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes von überlebenden Widerstandskämpfer*innen und Verfolgten aller politischen Richtungen. Ihre vorrangigen Ziele waren neben der Erinnerung an die Toten die Entschädigung der Opfer und die Bestrafung der Täter*innen ebenso wie die Pflege der Kontakte mit Überlebenden in allen ehemals besetzten Ländern.
In der Bundesrepublik fiel die politische Breite der Vereinigung dem Kalten Krieg zum Opfer, indem zunächst die SPD, später auch andere Parteien ihre Mitglieder aufforderten, die VVN zu verlassen. Allerdings gab es Überlebende aus allen Parteien und gesellschaftlichen Kreisen, die dieser Aufforderung nicht folgten, so entstammte beispielsweise der langjährige Präsident der Vereinigung Dr. Joseph Rossaint dem katholischen Widerstand.
In der DDR wurde die VVN 1953 aufgelöst. Erst mit dem Ende der DDR bildeten sich wieder staatlich unabhängige antifaschistische Bündnisse, die die an die Tradition der VVN anknüpften und die VVN-BdA in Ostdeutschland neu gründeten.
In der Bundesrepublik hat sich die VVN insbesondere gegen die Remilitarisierung positioniert und die Rückkehr von NS-„belastetem“ Personal in die Institutionen des Landes scharf kritisiert. Dazu gehörte auch das Personal des Inlandsgeheimdiensts, der die VVN und den Antifaschismus von Anfang an diskreditierte.
Ein 1962 eröffnetes Verbotsverfahren gegen die Vereinigung scheiterte daran, dass dem Vorsitzenden Richter eine aktive NS-Vergangenheit nachgewiesen werden konnte. Das international stark beachtete Verfahren wurde unterbrochen und nie wieder aufgenommen.
Als sich die VVN in den 1970er Jahren in Westdeutschland unter dem Eindruck der erstarkten NPD mit der Erweiterung zum Bund der Antifaschisten für die nachwachsenden Generationen öffnete, traten junge Menschen aus verschiedenen politischen Zusammenhängen ein. Unter anderem gab es trotz eines Unvereinbarkeitsbeschlusses der SPD regelmäßig Aufrufe der Jungsozialisten in der SPD (Jusos), Mitglied der VVN-BdA zu werden. So wurde aus der VVN die VVN-BdA.
Die Ereignisse der Jahre 1989/90 brachten auch für die VVN-BdA erhebliche Veränderungen. Die Vereinigung verlor im Westen ihre hauptamtliche Struktur und mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder. Dies geschah zunächst durch eine neue Satzung, in der den Basisgliederungen entscheidende Bedeutung zukommt.
Im Jahr 2002 erfolgte nach langen und ausführlichen Verhandlungen die Verschmelzung von VVN-BdA (West) und VVdN-BdA (Ost) zur aktuellen Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Spaltung des Gedenkens
In den ersten Nachkriegsjahren 1948/49 war das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes weitgehend überparteilich und konfessionsübergreifend. Mit Beginn des Kalten Krieges aber setzte eine politisch motivierte Teilung des Gedenkens in West und Ost ein.
Der Versuch, den antifaschistischen Gedenktag in der Bundesrepublik zu verbieten, scheiterte zwar zusammen mit dem Verbotsprozess gegen die VVN, aber der Begriff „Opfer des Faschismus“ verschwand aus dem öffentlichen Diskurs. Stattdessen ging das Gedenken auf den Volkstrauertag über, an dem aller Kriegsopfer gedacht werden sollte.
An den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, insbesondere von Kommunist:innen, wurde und wird bis heute nur sehr vereinzelt erinnert. Die Entpolitisierung durch den Volkstrauertag hatte zur Folge, dass bis heute teilweise ehemaliger Wehrmachts- und SS-Angehöriger gedacht werden kann, aber dem Widerstand kein fester Platz eingeräumt wird.
In der DDR dagegen konzentrierte sich die Erinnerung auf den kommunistischen Widerstand. Anders als in Westdeutschland sind daher noch heute auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zahlreiche Gedenkorte zu finden, die die Widerstandskämpfer:innen würdigen und eindringlich vor Faschismus warnen.
Doch auch das Gedenken in der DDR war nicht konfliktfrei. So wurde zum Beispiel die VVN 1953 zwangsaufgelöst und durch das „Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer“ ersetzt, das an die SED angegliedert war. Mehr Infos dazu hier:
Während sich die unzureichende Thematisierung von Widerstand in der BRD auf die Weiße Rose oder die Attentäter um Stauffenberg beschränkte, konzentrierte sich die Erinnerung in der DDR auf den kommunistischen Widerstand. Anders als in Westdeutschland sind daher noch heute auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zahlreiche Gedenkorte zu finden, die eindringlich vor Faschismus warnen.
Die geschichtspolitischen Verengungen im Sinne der sozialistischen Staatslegitimation hatte jedoch zur Folge, dass die VVN in der DDR 1953 zwangsaufgelöst und durch das der SED-angegliederte „Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer“ ersetzt wurde. 1990 gründete sich in der Tradition von VVN und Komitee der „Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes“ (IVVdN), welcher 2002 mit den westdeutschen Verbänden als nun bundesweite „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ zusammenging.
Nach der Befreiung: Wer gilt als Opfer?
Unmittelbar nach Kriegsende wurde gesellschaftlich darüber gestritten, wer als Opfer des Faschismus gelte. Denn mit diesem Status waren Sozialleistungen, Essenskarten und später auch Ehrenpensionen verbunden. Zu Beginn wurden nur sehr wenige Menschen als solche anerkannt, vornehmlich Angehörige der Kommunistischen Partei, der Gewerkschaften, der Arbeiter:innen-Organisationen und des organisierten Widerstands. Erst ab September 1945 schließlich galt der Status auch für Jüdinnen und Juden.
Nicht anerkannt wurden beispielsweise Sinti:zze und Rom:nja, Homosexuelle, Zwangssterilisierte, Zeug:innen Jehovas und sogenannte „Arbeitsbummelanten“. Ebenfalls ausgeschlossen blieben Deserteure und Überläufer aus den letzten sechs Kriegsmonaten.
Die Debatte um die Anerkennung zieht sich teilweise bis heute. Sogenannte „Asoziale und Berufsverbrecher“ wurden zum Beispiel erst 2020 offiziell als Verfolgte anerkannt. Betroffenengruppen mussten zum Teil jahrzehntelang um ihre Rehabilitation kämpfen und waren mit willkürlichen Behörden, einer diskriminierenden Gesetzgebung und Stigmatisierungen konfrontiert.
Mehr über die Debatte zur Anerkennung als Opfer des Faschismus findet ihr hier.
Am Deutlichsten wurde die Debatte bei der ersten Konferenz der OdF-Ausschüsse der SBZ im Oktober 1945 durch den Vertreter Thüringens zum Ausdruck gebracht:
„Die Anerkennung der Verfolgten auf Grund der Nürnberger Gesetzte stand bei uns auch zur Diskussion. […]. Alle unserer Kameraden in den Landkreisen waren grundsätzlich einer Auffassung: Opfer des Faschismus ist ein bestimmter Typ von Kämpfern, und den wollen wir erhalten […]. Können wir vertreten, daß alle diese Leute nun auf einmal Opfer des Faschismus sind? […]wir werden uns schweren Herzens dazu bequemen müssen, uns den Auffassungen des Hauptausschusses anzugleichen, um die generelle Ausrichtung beizubehalten.“1
Die Differenzen hinsichtlich der Anerkennung des Opferstatus begegnet der jüdische Kommunist Heinz Brandt mit einem Appell sich über den Sinn des OdF-Begriffs klar zu werden. Opfer des Faschismus sei „der Bedeutung nach, dem Begriff nach einfach jeder, jede Schicht, alle diejenigen, die aufgrund der Rasse, aufgrund der sonstigen politischen Wahnlehren der Nazis verfolgt, vernichtet und bestraft worden sind […] wobei es zunächst einmal für diesen Begriff nicht maßgeblich, ob diese Menschen aufgrund ihres aktiven politischen Kampfes bekämpft, vernichtet und ausgerottet wurden, sondern einfach nur deshalb, weil sie von den Nazis als passive Opfer in die KZ’s kamen.“
1INTERN: Die Tat, Berlin/Potsdam, 6.12.1952. In Das kurze Leben der VVN von 1947 bis 1953. Reuter, Elke; Hansel, Detlef
Kämpfer oder Verfolgte
In der DDR wurde ab April 1947 zwischen „Kämpfern gegen den Faschismus“ und „Verfolgten des Faschismus“ unterschieden. Beide Gruppen erhielten sogenannte Ehrenpensionen, Unterstützung bei der Wohnungsvergabe und weitere Vorteile.
Doch die Unterscheidung in Kämpfer und Verfolgte war nicht unproblematisch. Zum einen legte die DDR den Fokus nur auf einen bestimmten Teil des politischen Widerstands – vor allem den kommunistischen. Widerstandshandlungen von beispielsweise Jüdinnen und Juden im KZ wurden kaum anerkannt und damit teilweise unsichtbar gemacht. Zum anderen ging mit der Unterscheidung in Verfolgte und Kämpfer auch materielle Ungleichheit einher: Kämpfer gegen den Faschismus erhielten eine deutlich höhere Ehrenrente als Verfolgte. Die Ehrenrente und der damit einhergehende Status konnten jedoch auch aberkannt werden, wenn sich die Betroffenen aus Sicht der SED nicht konform verhielten.
Währenddessen hatten gerade ehemalige kommunistische Häftlinge in der BRD einen deutlich schwereren Stand: Mit dem Verbot der Kommunistischen Partei 1956 wurden viele von ihnen mit Berufsverboten belegt, womit sie oft auch ihren Status als Verfolgte des NS-Regimes verloren.
Gedenken heute
Hier am Strausberger Ehrenhain finden seit seiner Errichtung regelmäßig Gedenkveranstaltungen statt. Das anfangs auf die Kämpfer gegen den Faschismus fokussierte Gedenken öffnet sich heute mehr und mehr einem Gedenken, das allen Opfern des Faschismus gilt. Dazu zählen Menschen, die als Juden und Jüdinnen, als Sinti:zze und Rom:nja oder als Widerstandskämpfer:innen verfolgt wurden. Aber auch andere Opfergruppen wie Wohnungslose, queere Menschen, Unangepasste, Kriegsgefangene und Deserteure sowie Zwangsarbeiter:innen werden im Gedenken gewürdigt.
All diese Kategorien hatten oft nichts damit zu tun, wie die betroffenen Menschen sich selbst sahen. Es waren willkürliche Kategorien der Nationalsozialisten. Darunter liegen Ideologien wie Antisemitismus, Antikommunismus und Sozialdarwinismus. Diese bestehen zum Teil bis heute fort und führen zu Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen.
Der Tag der Opfer des Faschismus am 1. Sonntag im September ist daher heute ein Tag der Begegnung und ein Aktionstag gegen Antisemitismus, Rassismus, Neonazismus und Krieg.
Denn: Erinnern heißt verändern!