Bericht: Tag der Opfer des Faschismus am 12. September im Zeichen der NS-Krankenmorde
15. September 2021
Jeden zweiten Sonntag im September findet seit 1945 der Tag der Opfer des Faschismus statt. Auch dieses Jahr lud der Kreisverband Märkisch-Oderland der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen und der Verein „alternativen denken“ zu einer Gedenkveranstaltung am OdF-Ehrenhain in der Wriezener Straße ein. Dieser folgten etwa 50 Personen, darunter Niels-Olaf Lüders, Bundestagskandidat der Partei DIE LINKE im hiesigen Wahlkreis und Gernot Schmidt (SPD), der Landrat Märkisch-Oderlands.
Dieses Jahr stand das Gedenken ganz im Zeichen der Opfer der NS-Krankenmorde. Zunächst hielt Andreas Hechler, der unter anderem zur NS-“Euthanasie“ forscht, einen bewegenden Redebeitrag, dem er seine eigene Familienbiographie voranstellte: Die heutige Gesellschaft würde ganz anders aussehen, wenn nicht nur die Ermordeten noch unter uns wären, sondern auch die potentiellen Nachkommen derer, die die NS-Eugenik durch Zwangssterilisierungen ein Leben lang zeichnete – und jeden Kinderwunsch verunmöglichte. Die Morde im Potsdamer Oberlinhaus mit vier Todesopfern geschahen zudem nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Gesellschaft, die Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen immer noch abwertet.
Anschließend lasen Kira Güttinger und Nils Weigt aus der von der Historikerin Petra Fuchs erforschten Biographie von Günther E. Dieser wurde 10-jährig in Brandenburg an der Havel ermordet, nachdem er unter anderem zwangsweise im Landesjugendheim Strausberg, dem heutigen OSZ, untergebracht war. Mitfühlende Äußerungen, die sich absetzten von abwertenden Formulierungen in den Krankenberichten und die zunehmend verzweifelter werdenden Versuche der Eltern, Günther aus den Fängen der nationalsozialistischen Fürsorge zu bekommen, zeichneten ein Bild, dass die Teilnehmer*innen der Gedenkveranstaltung fassungslos machte.
Wie bereits im vergangenen Jahr wurde die Gedenkveranstaltung musikalisch von dem Gesangsduo Pia und Cassie gerahmt. Ihr bewegender Gesang trug noch zur Emotionalität dieser Gedenkveranstaltung bei.
Das Niederlegen der vielen mitgebrachten Blumen am Gedenkstein bildete den würdigen Abschluss des Gedenkens.