Hanau-Gedenken am 19. Februar 2021 in Strausberg

22. Februar 2021

Am Freitag fand in Strausberg eine von uns mitorganisierte Mahnwache in Erinnerung an die Opfer von Hanau statt, an der sich über 70 Leute beteiligten.

Unser Redebeitrag zur Kundgebung:

Heute, am 19. Februar 2021, ein Jahr nach den Anschlägen in Hanau.
Heute, bald 16 Monate nach den antisemitischen und rassistischen Anschlägen in Halle.
Heute, in Deutschland im Jahr 2021 – 76 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus.

Heute, auf den Tag ein Jahr nach den Anschlägen in Hanau, bei denen 9 junge Menschen von einem Rassisten aus dem Leben gerissen wurden:

Ferhat Unvar

Gökhan Gültekin

Hamza Kurtović

Said Nesar Hash‘emi

Mercedes Kierpacz

Sedat Gürbüz

Kaloyan Velkov

Vili Viorel Păun

Fatih Saraçoğlu


Ihre Familien und Freund*innen müssen seitdem mit dem Schmerz und der Leere leben, die nie wieder gefüllt werden kann.

Wir sind heute hier, um an sie zu erinnern und ihrer zu gedenken. Ihrer und allen anderen Opfern rassistischer Gewalt. Wir solidarisieren uns mit den Angehörigen der Opfer, den Überlebenden und Unterstützer*innen und wir wollen ihre Forderungen konsequent unterstützen. Die Forderungen nach lückenloser Aufklärung, nach politischen Konsequenzen, nach Gerechtigkeit, nach einem angemessenen Erinnern.

Heute, 2021, in Deutschland – in dem sich alte wie neue Nazis offener denn je präsentieren, in Kommentarspalten hetzen, es sich in Parlamenten, in Schulen und Behörden bequem machen. Wo sich Rechte ungestört in Polizei und Bundeswehr organisieren.

Heute, wo Migration immer wieder zum Problem oder sogar zur „Mutter aller Probleme“ erklärt wird. Heute, wo antisemitisches Gedankengut wieder salonfähig wird, antisemitische Bilder und Verschwörungstheorien herbeizitiert werden, gerade auch in der Corona-Krise.

Heute, wo gleichzeitig antifaschistische und antirassistische Arbeit kriminalisiert wird. Und täglich hören wir neue Meldungen von Einzelfällen und verwirrten Einzeltätern, die Menschen angreifen oder töten, weil sie nicht-weiß, weil sie migrantisch sind.

Doch es gibt keine Einzeltäter. Der Täter von Hanau, Tobias R., ist ein Produkt dieser Gesellschaft und diese hätte aufhorchen müssen. Gründe hätte es genug gegeben.

Betroffenheit und Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr, es ist Zeit für Konsequenzen. Diese Gesellschaft muss sich verändern. Es braucht ein genaues Zuhören und eine Solidarisierung mit den Betroffenen. Es braucht eine praktische Entnazifizierung – der Ämter und Institutionen, der Polizei und Behörden. Der strukturelle Rassismus muss bedingungslos und überall bekämpft werden, genauso wie der Alltagsrassismus, den alle Hinterbliebenen nur allzu gut kennen. Die Familien der Opfer von Hanau wissen auch ein Jahr nach der Tat nicht genau, was mit ihren Kindern passiert ist. Viele Fragen sind offen, es gibt keine plausible Erklärung, warum Vili Viorel Păun den Notruf in der Tatnacht nicht erreichen konnte. Die Überlebenden und Angehörigen der Opfer werden wieder kriminalisiert und nicht gehört.

Unser Verband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschist*innen steht an der Seite aller Opfer rassistischer und faschistischer Gewalt, ihr den Boden zu entziehen ist unser gemeinsames Ziel.

Wir senden den Betroffenen des Anschlags von Hanau, ihren Angehörigen, Freund*innen und Bekannten unsere Solidarität und unser Mitgefühl.