Bericht zum Antifaschistischen Wanderwochenende in Wulkow 2023
9. November 2023
Bereits zum dritten Mal fand in diesem Jahr das Antifaschistische Wanderwochenende rund um Wulkow statt. Wulkow ist ein kleiner Ort in Märkisch Oderland, etwa 50 km von Berlin entfernt. Hier befand sich zwischen März 1944 und Februar 1945 ein Außenlager des Ghettos Theresienstadt. Seit 2020 gibt es Bemühungen durch die VVN-BdA Märkisch-Oderland und den Arbeitskreis Wulkow, sich diesem Ort zu nähern und an ihn zu erinnern.
Das Interesse ist groß, rund 50 Teilnehmende haben sich angemeldet und sitzen am Freitagabend gespannt in der Feldsteinscheune vom Campus Schloss Trebnitz. Einige haben schon vom Außenlager gehört, wissen, „dass da irgendwas war in Wulkow“,für Andere ist es völliges Neuland. Einige haben einen regionalen, Andere einen inhaltlichen Bezug zum Thema. Was alle verbindet, ist das gemeinsame Interesse. mehr zu erfahren. Nach einem ersten Kennenlernen macht ein Vortrag zum Kontext des Außenlagers den Anfang. Es wird deutlich, was die Nazis 1944 in Wulkow vor hatten: den Bau einer Ausweichstelle für das Reichssicherheitshauptamt, welches nach den Bombardierungen aus Berlin raus musste. Dazu benötigten sie handwerklich begabte Häftlinge aus Theresienstadt, die in Wulkow für den „Barackenbau“ verantwortlich waren.
Am Samstagmorgen bricht die Gruppe zur etwa 18 km langen Wanderung auf. Bei windigem, aber sonnigem Wetter geht es von Trebnitz nach Obersdorf entlang der Ostbahn. Am Haussee vorbei, Richtung Hermersdorf erreichen wir den Krähenberg für eine erste Pause. Butterbrote werden ausgepackt, die Regenjacken zum Sitzen platziert, während Mitlglieder des Arbeitskreises berichten, wie die Menschen aus Theresienstadt nach Wulkow kamen. Durch die Biographien zweier ehemaliger Häftlinge, Henry Frank und Hanuš Hron,erfährt die Gruppe mehr über ihre Erfahrungen Weiter geht es Richtung Wulkow. Bevor wir uns dem ehemaligen Lagergelände nähern, gibt es bei einer weiteren Pause Einblicke in den Lageralltag der fast 400 Menschen, die nach Wulkow verschleppt wurden. Es waren jüdische Menschen oder als Jüdinnen_Juden Verfolgte Menschen aus Tschechien, Deutschland und Österreich, die in Wulkow Zwangsarbeit leisten mussten.
Am Ortsausgang befinden wir uns nun unmittelbar am Lagerstandort. Durch Karten und Erklärungen erhalten wir eine ungefähre Vorstellung vom ehemaligen Lagergelände, wo uns heute vor allem Wald begegnet. Eine sichtbare Spur ist die Sandgrube. Wir besichtigen diesen Ort, wo die Häftlinge zeitweise untergebracht waren. An dieser Stelle berichten Mitglieder des Arbeitskreises über die Gewalt, die im Lager herrschte und die vor allem durch den Lagerkommandanten Franz Stuschka ausgeführt wurde.
Der letzte Abschnitt der Wanderung führt uns entlang eines Ackers zurück nach Trebnitz. Hier ist nun ausreichend Gelegenheit für den Austausch über das Erfahrene, stilles Wandern und das Einatmen der brandenburgischen Luft.
Am Sonntag folgt eine Premiere: eine Wanderung durch Trebnitz und eine Spurensuche zum Sachsenhausener Außenlager in Trebnitz. Der Arbeitskreis macht deutlich: die Forschungslage zu diesem Lager ist bisher sehr dünn, es gibt mehr Fragen als Antworten. Etwa 300 Häftlinge aus Sachsenhausen waren in Trebnitz. Berichte von Überlebenden gibt es kaum und die exakte Lageist unklar. Eine Vermutung liegt nahe, dass die Trebnitzer Häftlinge den Wulkower Häftlingen beim Barackenbau für die Ausweichstelle des Reichssicherheitshauptamts behilflich sein mussten.
Die Wanderung in Trebitz führt uns durch den Schlosspark, anm Ehrenhain für die gefallenen Trebnitzer Soldaten des 1. Weltkrieges vorbei bis zum möglichen ehemaligen Lagergelände in der Nähe der heutigen Autowerkstatt Schober. Wir besichtigen außerdem heutige Standorte zweier ehemaliger Baracken, welche nach Kriegsende weitere Verwendung im Dorf fanden.
Das Wanderwochenende ist eine antifaschistische Erinnerungspraxis, die es ermöglicht, lokale NS- Verbrechensorte zu erforschen und den Opfern der Shoah zu gedenken. Neben dem Wanderwochenende arbeitet der Arbeitskreis Wulkow derzeit an einem digitalen Erinnerungsort. Eine Website soll ab April 2024 über die Geschichte dieses Ortes informieren und zu weiterer Erinnerungsarbeit anregen.