Bericht: Antifaschistisches Wanderseminar. Das Theresienstädter Außenlager Wulkow und Buckow im Jahr 1945
16. Oktober 2021
Vom 08.-10. Oktober 2021 fand das erste antifaschistische Wanderseminar der VVN-BdA Märkisch-Oderland statt. Thematisch im Mittelpunkt stand das Theresienstädter Außenlager Wulkow, sowie eine bemerkenswerte Episode aus der Geschichte des beschaulichen Kurortes Buckow im Jahr 1945. Höhepunkt ohne Frage war jedoch die Begegnung und das Zeitzeugengespräch mit Hanuš Hron, Überlebender des Ghettos Theresienstadt und des Außenlager Wulkows.
Inhaltlicher Einstieg für die rund 40 Teilnehmer*innen aus der Region und dem gesamten Bundesgebiet war am Freitag ein Filmabend, bei dem eine Dokumentation, die sich auf Spurensuche in den Wäldern bei Wulkow begibt, gezeigt wurde. Die starke filmische Inszenierung irritierte und führte zu Gesprächsbedarf. So war das Thema Wulkow eröffnet und die Gruppe lernte sich kennen.
Die Wanderung beginnt
Am Samstag wurden die Teilnehmer*innen nach dem Frühstück vom buntbemalten Bus „Otto“ des KulTus e.V. aus Buckow abgeholt und ins 18 km entfernte Hermersdorf gefahren – dort stießen noch einige Wander*innen zur Gruppe hinzu. Der Startpunkt stand im Zusammenhang mit einer 1995 eingeweihten Gedenktafel für die jüdischen Inhaftierten aus Wulkow und einem weiteren Lager an der Straße zwischen Wulkow und Hermersdorf. Nach der Begrüßung durch Tanja Kinzel und Nils Weigt vom frisch gegründeten AK Wulkow ging es bei Sonnenschein und herbstlichen 10 Grad los in Richtung Wulkow.
Nach Ankunft am Rande des Dorfes gab es eine erste längere Pause. Währenddessen thematisierten die Mitglieder vom AK anhand von Biographien die Wege der Betroffenen in das Ghetto Theresienstadt und weiter in das Außenlager Wulkow. Der Pausenspot wurde unter anderem deshalb gewählt, um die Nähe zwischen Lager und Ort aufzuzeigen und um einen Überblick über das Lager Wulkow zu geben.
Das Lager Wulkow bestand von März 1944 bis Februar 1945. Rund 260 Jüdinnen und Juden aus dem Theresienstädter Ghetto mussten dort in Zwangsarbeit ein Ausweichquartier für das Reichssicherheitshauptamt sowie weitere NS-Dienststellen errichten. Die Geschichte dieses Ortes u.a. mit einer Gedenkhomepage bekannter zu machen, ist das Ziel des AK Wulkow.
Nach dieser inhaltlichen Einführung erkundeten die Teilnehmer*innen den historischen Ort, darunter die immer noch sichtbare Sandgrube, in der die Häftlinge eine Zeit lang in selbstgebauten Baracken untergebracht waren, sowie einige Fundamentreste. Noch während der Spurensuche erreichte die Teilnehmenden die Nachricht, dass Hanuš Hron, der vermutlich letzte Überlebende von Wulkow, der am Morgen in der Nähe von Karlovy Vary abgeholt worden war, bereits das 6 km entfernte Schloss Trebnitz erreicht hatte, wo um 16 Uhr ein Zeitzeugengespräch mit ihm beginnen sollte. Vorher wollte er jedoch unbedingt gemeinsam mit der Wandergruppe seinen ehemaligen Leidensort besuchen. So wanderten die Teilnehmer*innen schnurstracks nach Trebnitz, um ihn dort abzuholen und mit ihm gemeinsam mit dem Bus nach Wulkow zurückzukehren.
Nach einem emotionalen und beeindruckenden Besuch des ehemaligen Lagergeländes kehrte die Gruppe mit Hanuš nach Trebnitz zurück. Bei dem gemeinsam mit dem Schloss Trebnitz – Bildungs- und Begegnungsstätte e.V. organisierten Gespräch war der Saal der großen Feldsteinscheune mit rund 100 Personen bis auf den letzten Platz belegt. Die Teilnehmer*innen, darunter viele aus der unmittelbaren Umgebung, wollten sich die einmalige Chance, den 97-jährigen Hanuš Hron zu erleben, nicht entgehen lassen. Das Gespräch wurde von Susanna Harms moderiert, deren Großvater Heinrich Rimpel ebenfalls im Lager Wulkow inhaftiert war. Hanuš‘ Erinnerungen, bei denen immer wieder sein wunderbarer Humor zum Vorschein kam, wurde am Ende mit stehenden Ovationen quittiert.
Auch am zweiten Tag wird gewandert
Am Sonntag wartete schließlich ein weiteres spannendes Thema auf die Teilnehmer*innen: Das Schicksal von 20.000 italienischen ehemaligen Zwangsarbeitern in Buckow von Mai bis September 1945. Nach einer kurzen und schönen Wanderung traf die Gruppe auf dem sonnendurchfluteten ehemaligen Fußballplatz, einem historischen Ort, auf Aino Stratemann aus Buckow, Mitinitiatorin der Übersetzung des Tagebuchs von Mario Magonio, einem der betroffenen Zwangsarbeiter. Nach einem kurzen Einführungsvortrag von Aino lasen Kira Güttinger und Nils Weigt aus dem Tagebuch der Gefangenschaft.
Im Anschluss an die Lesung besuchten die Teilnehmer*innen gemeinsam mit Aino den Gedenkstein an diese lange Zeit vergessene Phase der Buckower Geschichte auf dem Friedhof. Die letzte Station des Wanderseminars führte die Gruppe zum sowjetischen Fliegerdenkmal, bevor das Wanderseminar bei Kaffee und Kuchen im linksalternativen „Lokal“ ausklang.
Text: Nils Weigt und Kira Güttinger
Fotos: Samuel Signer