Redebeitrag auf Antifa-Kundgebung am 16.11.2015

16. November 2015

Es ist noch keine 90 Jahre her, da begannen in Deutschland nationalistisch gesinnte Kräfte Rassenhass und Völkerhass, Judenhass und Fremdenfeindlichkeit zu verbreiten. Es begann mit wenigen, erst auf dem Lande, dann in den Städten. Befeuert von dem Elend der Nachkriegszeit und der daraus resultierenden Weltwirtschaftskrise gelang es geschickten Demagogen immer größere Teile der deutschen Bevölkerung mit diesem braunen Gedankengut zu infizieren. In wenigen Jahren entstand daraus eine ganze Bewegung, die Angst und Schrecken verbreitete und die in der Machtübernahme 1933 ihren ersten Höhepunkt fand. Der Wahnsinn wurde erst nach 12 Jahren gestoppt, gezählt wurden über 50 Millionen Tote weltweit, zerstörte Kontinente, traumatisierte Völker blieben zurück. Die überlebenden Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald schworen am 19. April 1945: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ Mit Schrecken und großer Wut nehmen die Mitglieder des Kreisverbandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-des Bundes der Antifaschisten im Kreis Märkisch Oderland schon seit längerem zur Kenntnis, dass unter dem Vorwand der Sorge um die Existenz unserer Kultur und unseres Wohlstandes Hass geschürt wird gegen Menschen, die einen anderen Glauben haben, aus einem anderen Kulturkreis kommen, vor Terror und Krieg, Hunger und Elend fliehen mussten und sich Schutz in Deutschland erhofften. Menschenverachtende Äußerungen, die an die finstersten Zeiten deutscher Geschichte erinnern, machen sich wieder auf der Straße breit, finden erst Zuhörer, dann Mitläufer und schließlich Brandstifter – erst ideologische und dann echte, mit Benzinkanistern und Brandflaschen. Und wieder sind es Menschen, die anders sind, anders glauben, anders aussehen, uns angeblich fremd sind, gegen die sich der Hass richtet. Sie werden, wie schon vor 90 Jahren verantwortlich gemacht, für das Elend, das ganz andere verursacht haben und die jetzt rufen: „Die Flüchtlinge sind schuld“. Es ist beschämend, dass in diesem Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde, kein Platz sein soll für Menschen, die oft nicht mehr als ihr nacktes Leben retten konnten und sich erhoffen, in einem demokratischen, humanistischen und solidarischen Deutschland Hilfe zu finden. Und dann kommen sie hier an und neben offener Solidarität, beispielloser ehrenamtlicher Hilfe und auch großen staatlichen Bemühungen treffen sie auch auf die hässliche Fratze der Menschenverachtung und des Hasses. Und der Staat kann dem keinen wirksamen Einhalt gebieten, genehmigt unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Veranstaltungen, auf denen die Angst geschürt wird. Ich bin weit davon entfernt, alle an solchen Veranstaltungen Teilnehmenden in die rechte Ecke zu stellen. Aber wer den neuen Nazis sein Ohr leiht, ihren Sprüchen applaudiert und in einer Reihe mit ihnen durch die Straßen zieht, muss sich schon fragen lassen, ob er auch deren Gedankengut teilt. Wir stehen heute hier, um dem entgegenzutreten, nicht zuzulassen, dass die Atmosphäre vergiftet wird mit Hass auf Menschen, die nur leben wollen. Ihnen zu helfen und ihnen beizustehen gegen Völkerhass, dass ist humanistische Bürgerpflicht. Lassen wir sie nicht durchkommen. Der Traum der Buchenwaldhäftlinge von einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist noch nicht Wirklichkeit geworden.

Flüchtlinge sind willkommen!

Autor: Wolfram Wetzig, Kreisvorsitzender der VVN-BdA Märkisch Oderland